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Strategische Asset Allocation
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4.1 Die Bedeutung der Risikoprämie

Die Risikoprämie stellt die wahrscheinlich wichtigste Kennzahl in der
Finanzmarktökonomie dar. Sie ist sowohl der zentrale Input in der strategischen
Asset Allocation als auch im „Capital Asset Pricing Model“ (CAPM), dem wohl
bekanntesten Bewertungsmodell für risikobehaftete Anlagen. Ihre herausragende
Stellung in der Finanzmarktökonomie lässt sich auch anhand eines Zitates von
Martin Leibowitz veranschaulichen, der die Risikoprämie als „…the financial
equivalent of a cosmological concept“ bezeichnet.16

Dabei ist die Risikoprämie definiert als die Differenz zwischen der erwarteten
Rendite aus dem Marktportfolio aus Aktien und der Verzinsung risikoloser
Anlagen.
Als Näherungswert für dieses Marktportfolio werden in der Regel möglichst breit
gestreute Aktienindices verwendet. Für die USA wird dabei meist der S&P 500
herangezogen, weit verbreitet ist auch die Verwendung wert- oder
gleichgewichteter NYSE (New York Stock Exchange) Portfolios.17 Enderle, Pope
und Siegel nennen als Kriterien für einen guten Index als Schätzer für das
Marktportfolio u.a. die Handelbarkeit und die Breite des Indexes, die Qualität und
Verfügbarkeit der zugehörigen Daten sowie die Akzeptanz bei den Investoren.18

Die Bestimmung des risikolosen Zinses gestaltet sich etwas schwieriger. In der
traditionellen Mean- Variance Analyse werden kurzfristige Geldmarktanlagen als
risikolos angesehen. Diese beinhalten zwar kein Kreditrisiko, sind jedoch über
längere Laufzeiten einem Wiederanlagerisiko ausgesetzt, was einen Vergleich mit
Aktien über längere Laufzeiten erschwert. Des weiteren können diese
kurzfristigen Geldmarktzinssätze zum Prognosezeitpunkt erheblich von den über
den Prognosehorizont erwarteten Zinssätzen abweichen. Deshalb wird häufig die
Verzinsung von Staatsanleihen mit den dem Prognosehorizont entsprechenden
Laufzeiten als Schätzer für den risikofreien Zins verwendet.19
Das Ausfallrisiko langlaufender Staatsanleihen kann zwar zumindest in den
westlichen Industrieländern vernachlässigt werden, sie können jedoch aufgrund
der Unsicherheit über die zukünftige Inflation nicht als komplett risikofrei
angesehen werden.20 Als Extrembeispiel sei hier die Hyperinflation von 1922-
1923 in Deutschland erwähnt, bei der der reale Wert festverzinslicher Anlagen
komplett verloren ging. Die Unsicherheit über die reale Rendite lang laufender
Obligationen geht also mit der Unsicherheit über die zukünftige Inflation einher.
Jedoch dürfte diese Unsicherheit zumindest in den führenden Industrieländern in
den letzten Dekaden aufgrund einer gestiegenen gesamtwirtschaftlichen Stabilität
sowie einem gestiegenen Problembewusstsein seitens der Notenbanken gesunken
sein.21
Eine weitere Möglichkeit den risikofreien Zins zu bestimmen wird in der
Verwendung von TIPS (Treasury Inflation- Protected Securities) gesehen, die
eine Inflationsgeschützte reale Verzinsung bieten. Jedoch stellen TIPS noch ein
relativ junges Anlageinstrument dar, weshalb zumindest eine längere historische
Ermittlung der Risikoprämie auf Basis von TIPS ausscheidet. Des weiteren sind
TIPS in den meisten Ländern und Währungen noch nicht verfügbar und werden –
auch in den USA und Großbritannien (UK) – noch mit vergleichsweise geringen
Marktvolumina gehandelt.22

Im Rahmen der strategischen Asset Allocation und deren in der Regel sehr langen
Prognosehorizonten werden in der jüngeren Literatur dann auch meist lang
laufende Obligationen (z.B. Zero Bonds) als Schätzer für den risikofreien Zins
propagiert. 23
Die Rendite langlaufender Staatsanleihen war im historischen Vergleich mit
kurzfristigen Geldmarktzinssätzen meist etwas höher. Im Zeitraum von 1900–
2000 betrug die Überschussrendite langlaufender Staatsanleihen gegenüber der
Rendite kurzfristiger Geldmarktanlagen in den USA ungefähr 0,7%, in
Deutschland ergab sich jedoch im historischen Durchschnitt jedoch aufgrund
teilweise hoher (nicht antizipierter) Inflationsraten eine negative
Überschussrendite von -1,7%.24
Da als Ziel von Investitionen letzten Endes der Konsum gilt, werden in dieser
Arbeit - wenn nicht anders angegeben - reale Werte gegenüber nominalen Werten
vorgezogen.
Da die von den Investoren ex- ante geforderte Risikoprämie zum Erwerb von
Aktien grundsätzlich nicht empirisch beobachtet werden kann, wurden
verschiedene Ansätze mit der Zielsetzung entwickelt, möglichst genaue Schätzer
der zukünftigen Risikoprämie zu ermitteln.

In der Literatur können dabei prinzipiell vier verschiedene Ansätze zur Ermittlung
der ex- ante Risikoprämie unterschieden werden.
Die erste Gruppe versucht die ex- ante geforderten Risikoprämien aus den
historisch erzielten ex-post Risikoprämien abzuleiten, die je nach
Untersuchungszeitraum, betrachtetem Markt und Berechnungsmethode im
Bereich zwischen 3% und 9% liegen. Tatsächlich ist dies die auch heute noch am
häufigsten verwendete Methode in der Praxis um einen Schätzer für die ex- ante
Risikoprämie zu erhalten.25 Auch nimmt sie in der Lehrbuchliteratur nach wie vor
einen festen Platz ein.26

Die zweite Gruppe versucht, die Höhe der ex- ante Risikoprämie anhand der
theoretisch von den Investoren geforderten und benötigten Risikoprämie
abzuleiten. Dabei wird von einem intertemporalen Nutzenmaximierungsverhalten
der Investoren ausgegangen. Durch diese Modelle lassen sich fast ausschließlich
langfristige Risikoprämien erklären, die sehr deutlich unter dem historischen
Durchschnitt liegen. Der große quantitative Unterschied zwischen den durch diese
Modelle theoretisch erklärbaren und den historisch beobachteten Risikoprämien
ist Gegenstand des 1985 von Mehra und Prescott formulierten „Equity Premium
Puzzle“.27

Die dritte Gruppe versucht die ex- ante Risikoprämie implizit aus
Fundamentalvariablen wie dem Wirtschaftswachstum, Dividenden oder Erträgen
zu bestimmen, die meist auf dem bereits 1962 vorgestellten „Dividend Discount
Model“ (DDM) von Gordon basieren.28
So kommen beispielsweise Jagannathan, McGrattan und Scherbina anhand eines
DDM zu dem Schluss, dass die Risikoprämie auf Aktien im historischen
Vergleich aufgrund heute niedriger Dividendenrenditen und der momentan
hohen Bewertung von Aktien gesunken ist.29

Eine weitere Möglichkeit zur Bestimmung der Risikoprämie wird in der
Befragung von Experten gesehen; Ivo Welch befragte im Rahmen zweier Studien
226 Finanzmarktexperten zu ihren Ansichten über die Höhe der zukünftigen
Risikoprämie.30 Die dabei ermittelten Schätzungen der zukünftigen Risikoprämie
liegen im Durchschnitt signifikant über den modelltheoretischen Werten.

 

 

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  [16] Vgl. Leibowitz (2001), in: Leibowitz u.a. (2001), S.1.
[17] Vgl. u.a. Cochrane (1997).
[18] Vgl. Enderle/Pope/Siegel (2003), S.13.
[19] Vgl. z.B. Welch (2000), S.518 oder Ilmanen (2003), S.19.
[20] Vgl. Feinman (2002).
[21] Erwähnt seien hier beispielsweise die Stabilitätskriterien der Europäischen Zentralbank.
[22] Vgl. dazu die Anmerkungen von Chen (2001), in: Leibowitz u.a. (2001), S. 46.
[23] Vgl. u.a. Campbell/Viceira (2002), Kapitel 3.
[24] Aufgrund der Hyperinflation von 1922 und 1923 sind diese Jahre bei der Betrachtung
Deutschlands jeweils ausgenommen, da sie das Ergebnis zu stark verfälschen würden.
[25] Vgl. u.a. Dimson/Marsh/Staunton (2002), S.163.
[26] Vgl. u.a. Brealey/Myers (2000).
[27] Vgl. Mehra/Prescott (1985).
[28] Vgl. Gordon (1962).
]29] Vgl. Jagannathan/McGrattan/Scherbina (2000).
]30] Vgl. Welch (2000).
 
   
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