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4.3.3 Lösungsansätze
des Equity Premium Puzzle
Seit der Arbeit von Mehra und Prescott im Jahre 1985 sind verschiedene
Versuche zur Lösung des Equity Premium Puzzles unternommen
worden. Dabei
sind grundsätzlich drei verschiedene Ansätze zu unterscheiden:
Eine Variation
der zugrundeliegenden Inputvariablen, Veränderungen in der
Präferenzfunktion
des repräsentativen Investors sowie die Aufstellung alternativer
Modellannahmen.
4.3.3.1 Variation der Inputvariablen
Die empirisch beobachtete niedrige jährliche Korrelation vom
Konsumwachstum
mit der Aktienrendite scheint über längere Zeiträume
gesehen unplausibel.
Besonders für die USA und Großbritannien sollte aufgrund
der weit verbreiteten
Aktienkultur und der hohen Gesamtmarktkapitalisierung von Aktien
ein
längerfristiger Aufschwung an den Aktienmärkten zu deutlich
steigendem
Konsum führen.77
Cochrane bezeichnet diese niedrige Korrelation sogar als „Puzzle
in itself“, und
führt an, dass makroökonomische Standardmodelle normalerweise
Korrelationen
von 0,99 und mehr vorhersagen.78
Doch selbst wenn man die Korrelation des Konsumwachstums mit der
Aktienrendite im Standardmodell auf eins setzt (alle anderen Parameter
konstant
gehalten), ergeben sich Sharpe- Ratios von höchstens 0,1 und
Risikoprämien, die
unter zwei Prozent liegen.79
Eine weitere Möglichkeit besteht in der Veränderung der
Konsumvolatilität.
Obwohl das Investitionsverhalten von Individuen beschrieben werden
soll,
werden im Standardmodell über die Gesamtbevölkerung aggregierte
Daten
verwendet. Mankiw und Zeldes betrachten die Konsumdaten für
Aktionäre und
Nicht- Aktienbesitzer getrennt. Demnach ist der Konsum der Aktionäre
tatsächlich ca. 3x volatiler als der aggregierte Konsum der
Gesamtbevölkerung.80
Aber auch hier ist die Veränderung zu gering, um die hohen
empirischen
Risikoprämien erklären zu können.
Hinsichtlich der Veränderung des Parameters γ scheinen
die Möglichkeiten mit
γ = 10 jedoch ausgereizt. Wie oben bereits dargestellt, beschreibt
Parameter γ
neben der Höhe der Risikoaversion auch die intertemporale Konsumelastizität
der Investoren. Je höher γ, desto geringer ist die Bereitschaft
der Investoren ihren
Konsum über die Zeit zu substituieren. Um bei gegebenen Werten
eine Sharpe-
Ratio von 0,5 für die USA erklären zu können, wird
in Gleichung (21) ein Wert
von γ = 240 benötigt. Auch wenn man den Korrelationskoeffizienten
corr( c,r) =
1 setzt, wird noch ein Wert von γ = 50 benötigt.
Jedoch erscheinen diese hohen Werte für γ unplausibel;
ein Wert von 50< γ <240
bedeutet, dass die Konsumenten so gut wie nicht bereit sind ihren
Konsum über
die Zeit zu substituieren. Betrachtet man die fundamentale Beziehung
von
risikolosem Zins und Konsumwachstum in Gleichung z, ergibt sich
für die
Risikoaversionshöhe γ = 50 in Verbindung mit einem empirisch
plausiblen realen
risikolosen Zins in Höhe von 1% sowie einem angenommenen Konsumwachstum
von 1% eine negative subjektive Diskontierungsrate von ρ =
-0,5 oder -50%. Des
weiteren würde eine Zunahme des Konsumwachstums um einen Prozentpunkt
bei γ = 50 eine Zunahme des risikofreien Zinses von 50 % (5000
Basispunkte)
bedeuten - eine nicht haltbare Vermutung.
Um also bei gegebenen Werten im Standardmodell eine hohe Risikoprämie
(durch hohe γ ) und einen niedrigen risikofreien Zins zu erhalten,
muss die
Diskontierungsrate ρ negativ sein – die Konsumenten würden
zukünftigen
Konsum dem heutigen Konsum vorziehen. Gibt man positive Diskontierungsraten
ρ vor, ergeben sich sehr hohe Werte für den risikofreien
Zins. Dies ist mit den
niedrigen empirisch beobachteten risikofreien Zinssätzen jedoch
nicht vereinbar.
Der empirisch beobachtete niedrige risikofreie Zins vor dem Hintergrund
hoher
historischer Risikoprämien ist Gegenstand des 1989 veröffentlichten
„Riskfree
Rate Puzzle“ von Weil.81
Auch aus dem Blickwinkel plausibler Risikoaversionshöhen scheinen
Werte in
Höhe von γ > 10 nicht gerechtfertigt. Um dies zu veranschaulichen,
wird ein
einfaches Beispiel gewählt.
Tabelle 5 zeigt, wie viel eine Familie
mit einem jährlichen Einkommen von
50000in Abhängigkeit unterschiedlicher Risikoaversionsparameter
γ zu zahlen
bereit wäre, um eine Wette zu vermeiden, die mit gleicher Wahrscheinlichkeit
zu
einem Anstieg oder Rückgang ihres Einkommens um y führt.82
Tabelle 5: 50/50 Wette bei variablen Wetteinsatz
und variablen Risikoaversionshöhen
Für hohe Beträge relativ zum Einkommen bedeutet eine hohe
Risikoaversion,
dass die Familie bereit wäre beinahe den gesamten Betrag zu
investieren, um die
Wette zu vermeiden. Um einer 50/50 Wette über 10.000 bei einer
Risikoaversion von γ = 50 aus dem Weg zu gehen, bezahlt die
Familie 9.430 .
Solch eine hohe Risikoaversion scheint nicht gerechtfertigt zu sein.83
Befragungen von Versuchspersonen ergeben dann auch Risikoaversionsparameter
von γ < 5.84
Hohe γ sind also aus 2 Gründen problematisch: unplausible
Annahmen über die
Höhe der Risikoaversion sowie die aus der niedrigen intertemporalen
Substitutionselastizität (und überzeugenden Annahmen über
die Höhe des
subjektiven Diskontfaktors ρ) folgenden hohen Werte für
den risikofreien Zins.
4.3.3.2 Alternative Präferenzfunktionen
Eine weitere Möglichkeit besteht darin dem repräsentativen
Investor alternative
Nutzenfunktionen zuzuschreiben. Im Standardmodell ist der
Risikoaversionsparameter γ direkt mit der intertemporalen Substitutionselastizität
ψ verbunden. Ein Investor, der der Variation des Konsums zu
einem bestimmten
Zeitpunkt ablehnend gegenübersteht, lehnt auch die Veränderung
des Konsums
über die Zeit ab. Daraus folgt, dass der repräsentative
Agent im Mehra- Prescott
Modell wenig Anreiz zum Sparen hat um damit zu einem späteren
Zeitpunkt
höhere Konsumlevel zu realisieren. Die Nachfrage nach festverzinslichen
Anlagen ist niedrig und der risikofreie Zins muss damit hoch sein.
Epstein und Zin beschreiben mit ihren „Generalized Expected
Utility“ (GEU)
eine Nutzenfunktion, die die Verbindung zwischen Risikoaversion
und
intertemporaler Substitutionselastizität durchbricht und für
unterschiedliche
Höhen der Risikoaversion unterschiedliche intertemporale
Substitutionselastizitäten zulässt.85
Dadurch ist es möglich hohe Risikoprämien
sowie niedrige risikofreie Zinssätze zu erhalten, ohne unplausible
Annahmen über
die subjektive Diskontierungsrate ρ zu treffen, und damit einen
Erklärungsansatz
für das „Riskfree Rate Puzzle“ von Weil zu liefern.
Jedoch werden nach wie vor
hohe Risikoaversionen benötigt um die hohen empirisch beobachteten
Risikoprämien zu erklären. Das Equity Premium Puzzle bleibt
also weiterhin
bestehen.
Einen weiteren Ansatz stellt das „habit formation“ Modell
dar, das erstmals von
Constantinides86 vorgestellt wurde.
Die Idee des Modells ist die Annahme, dass
der Nutzen eines repräsentativen Individuums nicht von der
absoluten Höhe
seines Konsums abhängt, sondern von der Höhe des Konsums
in der Vorperiode.
Ein Individuum, das in Periode (t-1) viel konsumiert, gewöhnt
sich an diesen
Konsumlevel und wünscht einen noch höheren Konsumlevel
in Periode t. Es stellt
sich also ein gewisser „Gewöhnungseffekt“ ein,
der den Investor gegenüber einer
kurzfristigen Reduktion des Konsums empfindlicher macht. Dies führt
zu einer
hohen kurzfristigen Risikoaversion, aber zu einer relativ niedrigen
langfristigen
Risikoaversion. Jedoch kann auch dieses Modell die hohen langfristigen
Risikoprämien auf Aktien nicht erklären, ohne dem repräsentativen
Investor eine
hohe Risikoaversion zu unterstellen.87
Dennoch kann es einen Beitrag zum „Risk- Free Rate“
Puzzle leisten: Für jeden
momentanen Konsumlevel weiß der repräsentative Investor,
dass er einen
höheren zukünftigen Konsum anstrebt. Dies erhöht
die Nachfrage nach
festverzinslichen Anlagen und erklärt damit einen niedrigen
risikofreien Zins.88
Einen alternativen Benchmark stellt der Konsum einer Referenzgruppe
dar. Dem
liegt die Annahme zugrunde, dass der Konsumnutzen nicht nur von
der Höhe des
eigenen Konsums abhängt, sondern auch von der Konsumhöhe
des sozialen
Umfelds.89 Das Individuum erfährt
nicht nur Nutzen aus seinem eigenen Konsum,
sondern auch, wenn es mehr konsumiert als seine Referenzgruppe.
Abel nennt
dies „catching up with the Joneses“.90
Wenn jedoch das Konsumniveau unter das
Referenzniveau zu fallen droht, wird der repräsentative Investor
wieder extrem
empfindlich gegenüber einem weiter fallenden Konsumlevel. Auch
hier wird also
wieder eine hohe Risikoaversion benötigt um die hohen historischen
Risikoprämien zu erklären.
Ein psychologischer Erklärungsansatz für das Equity Premium
Puzzle wurde von
Benartzi und Thaler vorgestellt,91
die auf der „Prospect Theory“ von Tversky und
Kahneman aufbauen.92 Darin erhalten
die Investoren Nutzen von Änderungen des
Wertes ihres Portfolios, nicht von der Höhe des Wertes selber.
Des weiteren gilt
„loss aversion“, d.h. Verluste wiegen schwerer als Gewinne.93
Dabei hängt die
Risikoeinstellung der Investoren vom Zeithorizont ab, in dem sie
ihre Anlagen
neu bewerten. Bewertet ein Anleger sein Portfolio jeden Tag aufs
neue, ist das
Risiko eine negative (tägliche) Rendite auf Aktien zu erhalten
annähernd genauso
hoch wie die Chance auf Gewinne. Da die Verluste psychologisch übergewichtet
werden, bieten Aktien einen geringeren Nutzen als festverzinsliche
Papiere und
müssen dementsprechend (hohe) Risikoprämien bieten. Eine
Implikation aus
diesem Modell ist, dass Investoren stärker in Aktien investieren
würden, wenn sie
sich mehr an langfristigen Renditen orientieren würden.94
Thaler bestätigt diese
These in einer darauffolgenden Studie.95
Die Verwendung alternativer Präferenzfunktionen hatte also
insbesondere Erfolg
darin, Erklärungsansätze für das „Riskfree
Rate Puzzle“ zu leisten. Neben der
Einführung alternativer Präferenzfunktionen wurden weitere
Versuche zur
Lösung des Equity Premium Puzzle unternommen. Diese versuchen
hauptsächlich einige im Mehra- Prescott Modell getroffene Annahmen
aufzuweichen.
4.3.3.3 Alternative Modellannahmen
Eine Reihe von Autoren hat alternative Annahmen zu den im Mehra-
Prescott
Modell getroffenen Prämissen vorgestellt. Eine Prämisse
dieses Modells ist die
Annahme vollkommener Märkte. In vollkommenen Märkten versichert
sich der
rationale repräsentative Investor gegen jegliche Art von Einkommensrisiken.
Constantinides und Duffie stellen ein Modell auf, das mit dieser
Annahme bricht.
Die Investoren sind einem Einkommensrisiko ausgesetzt, das nicht
versichert
werden kann.96 Die Gefahr eines Berufsverlustes
oder anderen persönlichen
Schwierigkeiten kann also nicht durch Versicherungspolicen kompensiert
werden.
Aktien und andere prozyklische Investitionen haben darin die nicht
wünschenswerte Eigenschaft, dass sie gerade dann an Wert verlieren,
wenn das
Risiko, seinen Beruf zu verlieren am höchsten ist, z.B. in
Rezessionen. Eine hohe
Risikoprämie wird benötigt um Investoren dazu zu bewegen,
diese Wertpapiere
zu halten.
Ein weiterer Ansatz ist die Einführung von Kreditaufnahmebeschränkungen.
Constantinides, Donaldson und Mehra heterogenisieren die Investoren
und
konstruieren eine Modellökonomie, in der die Konsumenten in
drei Gruppen
aufgeteilt werden: junge, mittlere und ältere.97
Dabei haben die jungen Konsumenten ein unsicheres zukünftiges
Einkommen,
die Mittleren ein relativ hohes sicheres Einkommen und die ältere
Generation
befindet sich in Rente und konsumiert das in der zweiten Periode
aufgebaute
Vermögen. Die jungen Investoren unterliegen dabei einer
Kreditaufnahmebeschränkung, die sie daran hindert die Zukunft
zu beleihen um
damit ihren Konsum über die Zeit zu glätten. Wie bereits
beschrieben, hängt der
marginale Nutzen von Aktien von der Korrelation ihrer Rendite mit
dem Konsum
ab. Eine wichtige Folgerung aus diesem Modell ist, dass die Korrelation
der
Aktienrendite mit dem Konsum vom Lebensabschnitt des Konsumenten
abhängt.
Der Konsum eines Individuums kann dabei zerlegt werden in sein Gehalt
und sein
Einkommen aus Aktien.
Bei jungen Konsumenten werden ein unsicheres zukünftiges Gehalt
sowie
unsichere zukünftige Erträge aus Aktien angenommen, die
wenig miteinander
korreliert sind.98 Deshalb ist bei
jungen Konsumenten die Korrelation der
Aktienrendite mit dem Konsum niedrig; Aktien fungieren als Hedge
gegenüber
Veränderungen des zukünftigen Lohneinkommens und werden
als
„wünschenswerte“ Anlagemöglichkeit angesehen.
Anders verhält sich dies bei den Konsumenten der mittleren
Generation, deren
Veränderungen in der Konsumhöhe demnach vornehmlich aus
Veränderungen
ihres Einkommens aus Aktien resultieren. In diesem Lebensabschnitt
ist also das
Einkommen aus Aktien hoch mit dem Konsum korreliert, was Aktien
nicht länger
als „wünschenswerte“ Anlage erscheinen lässt.
Unter der Annahme von
Kreditaufnahmebeschränkungen ist die junge Generation aber
vom Aktienmarkt
ausgeschlossen, da sie noch nicht über das notwendige Kapital
verfügt um Aktien
zu kaufen. Dadurch werden Aktien nur durch die mittlere Generation
bewertet,
was zu einer höheren Risikoprämie führt.
Weitere Ansätze zur Lösung des Equity Premium Puzzle führen
die hohen
empirischen Risikoprämien auf den bereits in Abschnitt 4.2.2
erwähnten
„survivorship bias“99
oder die Existenz von Steuern100
zurück, auf die aber im
Rahmen dieser Arbeit nicht näher eingegangen werden soll.
4.3.3.4 Zusammenfassung
Wurde das Puzzle gelöst? Es stellt sich hier die Frage,
was mit diesen
theoretischen Modellen erklärt werden soll: die hohen realisierten
ex- post
Risikoprämien? Die Ausführungen in Abschnitt 4.2 haben
gezeigt, dass diese
wohl nicht mit den tatsächlich geforderten ex- ante Risikoprämien
der Investoren
übereinstimmten. Diese tatsächlich benötigten ex-
ante Risikoprämien scheinen
substanziell niedriger zu sein als die historisch realisierten.
Dabei zeigen die
Ausführungen dieses Kapitels in die richtige Richtung. Jedoch
scheint auch ein
allseits theoretisch akzeptiertes Modell zur Lösung des Equity
Premium Puzzles
noch auszustehen.
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