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Strategische Asset Allocation
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4.5 Expertenmeinungen

Eine weitere Möglichkeit zur Bestimmung der erwarteten Rendite wird in der
Befragung von Experten gesehen. Welch befragte anhand zweier Studien 226
Finanzökonomen über ihre Ansichten über die Höhe der ex- ante Risikoprämie
über verschiedene Zeiträume.130 Die Notwendigkeit in der Befragung von
Experten sieht Welch darin, dass es - wie in den vorigen Abschnitten gezeigt
wurde - keinen allgemeinen Konsens über die Schätzung der besten oder
„wahren“ ex- ante Risikoprämie gibt.

Sein Anspruch ist dabei nicht die Ermittlung dieser „wahren“ ex- ante
Risikoprämie, sondern bestehende Schätzungen über die Höhe der Risikoprämie
um einen „common practice estimate“ zu ergänzen.131

Besonders interessant ist dabei, die im vorigen Abschnitt gewonnenen
Erkenntnisse mit den Ergebnissen der empirischen Studien zu vergleichen.
Welchs erste Erhebung erfolgte im Zeitraum Oktober 1997 bis Februar 1998, die
Zweite folgte im Januar 1999 und dauerte bis Mai 1999 an. Dabei fragte er
jeweils nach den Ansichten der Experten über die Höhe der jährlichen
arithmetischen ex- ante Risikoprämie über verschiedene Zeiträume (30, 10, 5, 1
Jahre). Tabelle 9 zeigt die Ergebnisse seiner beiden Studien. Danach beträgt die
durchschnittliche Schätzung durch Finanzökonomen der arithmetischen
Risikoprämie für den U.S. Aktienmarkt über den 30- jährigen Zeitraum 7,2%, mit
leicht niedrigeren Werten für kürzere Schätzperioden. Das Ergebnis der zweiten
Befragung liegt mit einem Wert von 6,8% (arithmetisch) leicht unterhalb des
gemittelten Wertes beider Studien. Dies ist als konsistent mit der Aussage der
befragten Personen zu werten, ihre Schätzungen nach einem Anstieg des
Aktienmarktes zu reduzieren.132

Tabelle 9: Schätzung der arithmetischen ex- ante Risikoprämie des U.S. Aktienmarktes
durch Finanzökonomen in Prozent
Schätzung der arithmetischen ex- ante Risikoprämie des U.S. Aktienmarktes durch Finanzökonomen in Prozent

Quelle: Welch (2000), eigene Darstellung.

Jedoch liegen die Konsensschätzungen der befragten Finanzökonomen kaum
unter dem historischen Durchschnitt der arithmetischen Risikoprämie.133
Interessant ist dieses Ergebnis insbesondere vor dem Hintergrund der im
Abschnitt 4.4.5 aufgestellten Thesen, die ein Absinken der ex- ante geforderten
Risikoprämie in den letzten Dekaden propagieren.

Welchs Ergebnisse liegen signifikant oberhalb der durch die Dividend Discount
Modelle bestimmten null bis höchstens fünf Prozent für die Höhe der ex- ante
Risikoprämie. Entsprechen die von Welch ermittelten Ergebnisse vor diesem
Hintergrund den rationalen, von den Investoren erwarteten und eskomptierten
Werten? Oder stellen sie vielmehr die im Erhebungszeitraum „erhofften“
Risikoprämien sowie die im Untersuchungszeitraum überzogenen Erwartungen
an zukünftige Gewinnwachstumsraten dar?

Im Zuge des Internet- und Neue Technologienbooms der späten 1990er Jahre
waren - vor allem für Technologie Werte- erwartete Gewinnwachstumsraten von
über 20 % keine Seltenheit (zumindest auf mittlere Sicht).134 Auch lag eine
Dekade scheinbar ungebremster Wachstumsaussichten und Kurssteigerungen
hinter den Investoren. War es in dieser euphorischen Börsenlage naheliegend,
zukünftige Renditen und Risikoprämien von den Investoren zu schätzen, die
deutlich unter dem historischen Durchschnitt lagen?

Ich denke nicht. Die übertriebenen Wachstumsaussichten und die überzogenen
Hoffnungen auf weitere Börsengewinne am Ende des letzten Jahrzehnts sind ein
Symptom für den durch Robert Shiller und U.S. Notenbankchef Alan Greenspan
bezeichneten „irrational exuberance“.135 Sie waren dann auch - gepaart mit den
im Vergleich zu den „rationalen“ Dividend Discount Modellen hohen erwarteten
ex- ante Risikoprämien - der Wegbereiter des dem Technologieboom folgenden
Bärenmarktes, der bis heute anhält.

Hohe Marktbewertungen sind unter plausiblen Annahmen über das langfristige Gewinnwachstum auf lange Sicht nur mit niedrigen vorausschauenden Risikoprämien vereinbar.

Oder um es mit Clifford Asness Worten im Jahre 2001 zu sagen:
„In the end, the market offers two choices:
low long-term expected returns in perpetuity or very bad short term
returns with higher, more normal expected returns in the long run.
My personal opinion: Do the events of 1999-2001 strike anyone as
a group of rational investors embracing and accepting a permanently
low risk premium?
If so, I missed it on CNBC.”136

 

 

  > weiter  
   
  [129] Vgl. Arnott/Bernstein (2002), S.67
[130] Vgl. Welch (2000).
[131] Vgl. Welch (2000), S.502.
[132] Vgl. Welch (2000), S.522.
[133] Als Vergleichswert wird in der zweiten Studie von Welch die von Ibbotson ermittelte
historische arithmetische Risikoprämie von 9,2% im Zeitraum von 1926-1997 angegeben.
[134] Sharpe (2002), S.16 macht für ca. die Hälfte der Bewertungssteigerungen der späten 1990er
Jahre gestiegene Analystenschätzungen bezüglich des langfristigen Gewinnwachstums
verantwortlich.
[135] Vgl. Shiller (2000).
[136] Vgl. Asness (2001), in: Leibowitz u.a. (2001), S.15-16.
 
   
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